Hohenschwangau by Karl Gutzkow

Hohenschwangau by Karl Gutzkow

Autor:Karl Gutzkow
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Otto-Mieth-Verlag


XX.

Ottheinrich schwankte ins Kontor. Man überhäufte ihn dort mit Fragen und bewunderte seinen Anzug. Er erzählte scheinbar ruhig, ja mit einer gewissen Feierlichkeit, was er glaubte berichten zu dürfen. Daß es nur abgerissene und mit ersichtlicher Zerstreuung und Abwesenheit vorgetragene Einzelheiten waren, so hatte Cyriax recht, wenn er an die Märchen erinnerte, wo Wanderer in einen Felsenspalt geschaut hatten, Bergkönigs Haushalt sahen und nimmer wieder zu sprechen vermochten.

Den Unglücklichen, dem das ganze, ihm seit lange schon bekannte wilde Heer der Vorwürfe, Gewissensbisse, Reuegedanken wieder durchs Hirn jagte, überfiel ein förmlicher Fieberfrost. Es schüttelte ihn wie eine Mutter nach der Geburt. Als es Zwölf schlug, war er wenigstens vom Zwang der Selbstbeherrschung erlöst. Für den Nachmittag blieb das Kontor geschlossen. Zum Fest im Tanzhause war das gesamte Personal als Galeriezuschauer eingeladen. Auch von ihm wurde sein Erscheinen erwartet. Es fehlte ihm aber alle Lust, die Stätte der Freude zu betreten. An den Häusern entlang schlich er sich in seine Wohnung.

Daheim bei seinen Wirtsleuten, die ihm mit noch größerer Spannung als die Kontorgenossen entgegenkamen, gab er denselben abgerissenen, die Hauptsache verschweigenden Bericht.

Als Ottheinrich allein war, da hörte er das furchtbare Wort, das ihm Himmel und Erde riefen: Was hast du getan? Wie wird das enden? Er ahnte ein Unwetter, das ihn vernichten mußte, wie ein Delinquent mit verbundenen Augen sitzend, erwartete er jeden Augenblick den tödlichen Streich.

»Jetzt geht Rat Haller in die Annengasse – jetzt schickt Anton Fugger an seinen Schwager eine Botschaft –!« Alles das malte er sich bis in die kleinsten Einzelheiten aus.

Märtyrerwonnen zu genießen, schien ihm sonst des Lebens edelster Inhalt. Diese Wonne trübte sich jetzt. Immer höher wuchs der Vorwurf des geistlichen Hochmuts, den er sich machte. Wie vermessen hast du gehandelt –! Wie hast du dich dem himmlischen Vater, der dich berufen, aber schwerlich auserwählt hat, gleichsam aufgedrängt –! Wird Gott nicht andere Wege wissen, dem Herzen der Verstockten beizukommen, als durch dich –?

Wenn ihn der Rat verstieße –! Ein Diener wächst mit seinem Herrn zu einem Wesen. Konnte er denn sein und leben ohne die ehrenvolle Stellung, die er nun durch drei Jahre behauptete –!

Für einen Augenblick wuchs auch wohl sein Stolz. Konnte der Rat ohne ihn sein? Ihn, der ihm so treu gedient, so vielfach schon genützt hatte –?

Aber das war dann wieder Vermessenheit –! Der kleine Finger an seines Meisters Hand konnte glauben, daß er dem Meister notwendig wäre –!

Alles, was auf Augenblicke licht und hell in seine Seele trat, zog bei näherer Betrachtung einen langen düstern Schatten des Unglücks nach sich. Soviel stand fürs erste fest, ins Tanzhaus zu gehen war ihm nicht möglich. Gern hätte er dieser feierlichen Zeremonie des Umzugs aller angesehenen Bürger und Bürgerinnen der Stadt angewohnt, hätte den seit lange nicht mehr aufgeführten sogenannten Geschlechtertanz gesehen – es war nur halb ein Tanz mit mäßigen, abgemessenen, nur auf Gehen berechneten Bewegungen. Wenn er sich aber überwand, wenn er auch nur von der Galerie zusah, konnte ihn nicht der Blick der Königin, ihrer Räte, Anton Fuggers und aller derer, die



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